Homeschooling: Wenn du aufgeben möchtest

Stop

Ich hatte genug.

Wirklich. Genug.

Diese Einstellung. Diese Tränen. Dieses Reklamieren und Bocken.

Ich hatte wirklich genug. Ich würde keinen Tag länger mehr mit Schnüggu schaffen. Er musste einfach zurück in die Schule.

Hattest du schon mal solche Momente? Befindest du dich gerade jetzt in so einem Moment?

Überleben. Es gibt Phasen, Tage, Momente in denen DAS das wichtigste Wort ist. Für manche ist Homeschooling das Einfachste der Welt. Ihr Kind ist superbrav und super wissbegierig und natürlich eine Leseratte und seine Mama ist eine geduldige, kreative Frau oder alle ihre Kinder sind im Schulalter. Für andere bedeutet Homeschooling ein schreiendes Kleinkind in den Armen, ein Kindergartenkind mit einem Trotzanfall, weil du ihm keine Aufmerksamkeit schenkst, Schulkinder, die weinen, weil sie ihre Arbeit nicht machen möchten und sobald du den Raum verlässt, fängt der Streit an.

Ich gebe zu: ich habe auch schon gedroht, meine Kinder zurück in die Schule zu schicken (bitte seid jetzt nicht all zu schockiert!). Ja, ich habe sie mit einer leeren Drohung gewarnt, in der Hoffnung, dass sich ihr Verhalten ändert. Nicht immer, aber manchmal. Es gab sogar Momente, wo die Drohung nicht leer war, sondern ich tatsächlich dachte, dass ich keinen Moment mehr länger schaffen würde und mich fragte, ob ich einen Fehler machte zu versuchen, Schnüggu zu Hause zu unterrichten. Wir haben sogar bereits mit der Schule geredet und wollten Schnüggu zum Schnuppern eine Woche in die Schule schicken.

Warum kam es dann doch nicht dazu? Er wollte nicht. Absolut nicht. Und es gab wieder Tränen. Und die zerbrachen mir fast das Herz. Ich wollte ihn ja auch nicht verlieren! Und ja, ich würde all diese Momente mit ihm verlieren, er würde seine Beziehung mit seiner Schwester verlieren. Er würde fast den ganzen Tag in der Schule sein und abends noch Hausaufgaben oder Sport machen. Unsere Beziehung würde sich ändern. Seine Freunde würden für ihn wichtiger werden als die Familie. Er würde wohl einen Teil seiner Unschuld verlieren…

Und da merkte ich, Homeschooling ist so viel mehr als die Kinder zu Hause zu bilden. Es geht um so viel mehr als Mathematik, Deutsch und Französisch. Unsere Familie lernt und wächst tagein, tagaus zusammen! Das wollte ich auch nicht verlieren.

Doch Tatsache ist: Homeschooling ist nicht einfach. Es ist sogar total hart. Vielleicht möchtest du Homeschooling aufgeben weil:

  • Du fühlst dich gestresst und überwältigt, und es wäre einfacher, die Kinder in die Schule zu schicken.
  • Die Kinder machen nicht richtig mit und haben eine miese Haltung. Sie hassen Homeschooling, sie streiten sich. Die. Ganze. Zeit. Sie gehorchen nicht und sind unmotiviert.
  • Du bist erschöpft.
  • Du bist introvertiert und hast praktisch keine Zeit um aufzutanken.
  • Du redest kaum mit deinen FreundInnen und würdest alles dafür geben, mal über etwas anderes als Fussball oder Minecraft zu reden.
  • Deine Verwandten und Freunde unterstützen dich nicht.
  • Du glaubst den Lügen, dass du nicht gut, geduldig oder gebildet genug bist, um deine Kinder zu Hause zu unterrichten.
  • Dein Ehepartner hat seine/ihre Arbeitsstelle verloren und ihr habt finanzielle Schwierigkeiten.
  • Du bist schwanger. Schon wieder.
  • Jemand in der Familie hat grosse gesundheitliche Probleme.
  • Dein Kind hat besondere Bedürfnisse und braucht besondere Aufmerksamkeit.

Tantrum girl

Was kannst du tun, wenn du aufhören möchtest?

1. Warum homeschoolst du? Es ist wichtig, dass du dich wieder darauf besinnst, warum du die Kinder zu Hause hast. Denke an die Vorteile und das Positive und halte dich daran fest. Ja, es ist nicht einfach, aber es kommt mit unersetzlichen Vorteilen und besonderen Momenten.

2. Du bist genug. Denk daran, dass du genug bist. Du schaffst das. Du kannst auch externe Hilfe holen, vielleicht einen Student, der deinem Kind in Mathematik hilft. Es ist auch wichtig, dir von deiner Verwandtschaft und deinen Freunden – vor allem Homeschool-Freunden – Unterstützung zu holen. Rede mit ihnen und hol dir die Ermutigung, die du brauchst.

3. Wo ist der Spass? Vielleicht fehlt in eurem Homeschool-Alltag auch ganz einfach der Spass. Vielleicht seid ihr tagein, tagaus zu Hause und arbeitet. Versuch doch mal, mehr Spass im Tag einzubringen. Es ist auch total in Ordnung, eine Pause einzulegen (so lange du brauchst, ob das eine Woche oder einen Monat ist) oder bereits im Mai für den Sommer aufzuhören und dafür zusammen Spass zu haben. Geht baden, zum Spielplatz, in den Wald, macht eine Exkursion ins Museum oder zum Zoo, geht Fahrrad fahren oder wandern. Macht einfach mal etwas anderes. Das ist keine Zeitverschwendung, das ist eine Investition.

4. Keine Hintertüre. Vielleicht ist die öffentliche Schule in deinen Gedanken immer eine Hintertüre. Wenn es zu viel wird, kannst du die Kinder einfach wieder zurückschicken. Und an ganz schlechten Tagen drohst du ihnen damit, wie ich das tat. Es gibt nichts, was dich mehr dazu animieren wird, mit Homeschooling aufzuhören, als einen einfachen „Plan B“ zu haben. Irgendwann, nach etlichen Tränen, entschied ich mich dazu, dass ich nicht mehr mit der Schule drohen oder darüber nachdenken würde aufzugeben. Ich liess das einfach nicht mehr zu. Das entspannte die Situation sofort nachhaltig.

5. Sei offen für Veränderung. Vielleicht braucht es auch ganz einfach eine Veränderung in eurem Alltag. Deine Kinder verändern sich und entwickeln mit der Zeit vielleicht einen ganz anderen Lernstil. Wenn ihr immer sehr strukturiert wart, ist es vielleicht an der Zeit, deinem Kind mehr Freiraum für eigene Nachforschungen zu geben. Wenn dein Kind immer frei sagen konnte, was es lernen wollte und das nicht mehr funktioniert, ist es vielleicht an der Zeit, etwas strukturierter zu arbeiten, da es mit der Zeit vielleicht mehr Struktur und Führung braucht. Du musst also bereit und flexibel sein, auch mal etwas zu ändern, damit es wieder besser funktioniert.

6. Mach nicht zu viel. Vielleicht machst du einfach zu viel und musst etwas zurückschrauben. Du hast Stress, weil du nicht nur die beste Mutter, sondern auch die beste Homeschool-Mutter sein möchtest, jeden Tag super viel vorbereitest und daneben auch noch in der Suppenküche freiwilligen Einsatz leistest, einige Tageskinder hütest und im Fussballverein aktiv mithilfst. Weniger ist auf jeden Fall mehr!

7. Vergleiche nicht! Vergleiche deine Kinder nicht mit anderen Homeschool- oder Schulkindern. Vergleiche dich selbst nicht mit anderen Homeschool-Müttern. Deine Kinder sind eben… DEINE Kinder und du bist du. Ihr seid einzigartig und es hilft rein gar nichts, euch mit anderen zu vergleichen.

Jede Homeschool-Mutter und jeder Homeschool-Vater geht mal durch dieses Gefühl, mit Homeschooling aufhören zu wollen. Vielleicht hat es dir geholfen, über meine Erfahrung zu lesen und zu wissen, dass du nicht die/der einzige bist. Nimm dir Zeit, finde eine gute Freundin/einen guten Freund und denk daran warum du überhaupt mit Homeschooling angefangen hast.

Nach zwei schwierigen Jahren mit Schnüggu war dieses vergangene Jahr VIEL BESSER. Es ist nicht perfekt, aber ich habe gelernt, dass Homeschooling (wie das Leben allgemein) verschieden Phasen durchläuft. Ich habe entschieden: ich gebe nicht auf.