Alternativen nach der obligatorischen Schulzeit

Lehre oder Gymnasium? Das werden Jugendliche in der 9. Klasse sehr oft gefragt. Was, wenn beides irgendwie und aus unterschiedlichen Gründen nicht passt? Wer keine Lehre findet und nicht ins Gymnasium möchte oder kann, macht ein Überbrückungsjahr. Auch das ist in der Schweiz eine Standardlösung. Jedoch ist auch dieser Weg nicht für alle das Richtige. Gerade für Jugendliche, die mehrere Jahre oder ihr ganzes Leben lang zu Hause unterrichtet wurden, ist eine Standardlösung manchmal nicht das Beste. Was gibt es denn noch für Alternativen?

Clonlara/High School Diplom

Immer mehr Homeschooling-Jugendliche registrieren sich beim deutschen Zweig der amerikanischen Fernschule Clonlara. Mit Eintritt ins 9. Schuljahr bei Clonlara ist der/die SchülerIn offiziell in der amerikanischen High School angemeldet. Nach vier Jahren Clonlara hat der/die Jugendliche dann also ein amerikanisches High School Diplom in der Hand. Dies macht zurzeit unsere Tochter (aktuell im 10. Schuljahr). Während sie an der Schule für Gestaltung den Vorkurs Kunst und Design absolviert, zählt dieses Jahr auch offiziell als 10. High School Jahr. Das Gute an Clonlara ist, dass das Homeschooling wie gewohnt weiter gehen kann. Das Lernen ist individuell, gemäss den Stärken des Schülers und der Schülerin aufgebaut. Es gibt gewisse Richtlinien (z.B. Deutsch, Mathematik, Englisch, NT, RZG sind zu einem gewissen Grad Pflichtfächer), jedoch ist der/die SchülerIn sehr frei in allen Wahlfächern und kann so sein/ihr Hobby zu einem offiziellen Fach machen. Unsere Tochter verdient z.B. in diesem 10. Schuljahr sieben High School Credits in den Wahlfächern „Kunst & Kultur“, „Malen“, „Zeichnen“, „Design & Objekt“, „Grafik Design“, „Fotografie“, „Drucktechniken“, „Film & Video“ und im obligatorischen Fach „Englisch“. Mathematik, NT und RZG muss sie dann nächstes Jahr dafür etwas mehr machen. Was bringt ein High School Diplom? In der Schweiz bringt ein High School Diplom in erster Linie zuerst einmal mehr Zeit. Das heisst, ein junger Mensch kann sich auch mit 18 Jahren, mit bestandenem High School Diplom noch für eine Lehre bewerben. Er/sie hat in den drei Jahren seit Abschluss der obligatorischen Schulzeit nicht nichts gemacht, sondern sich gebildet, v.a. auch in den Fächern und Themen, die ihn/sie interessieren und auf die er/sie sich spezialisieren konnte. Dies wird bei Lehrmeistern oft gerne gesehen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit (für diejenigen, die gut Englisch können), mit dem amerikanischen High School Diplom an einer amerikanischen (Fern-)Uni zu studieren, wie dies unsere Tochter vorhat. Da sie im Kanton Bern leider keine Lehrstelle als Grafikdesignerin finden konnte, hat sie sich dazu entschlossen, nach Abschluss der High School an einer amerikanischen Universität Grafikdesign zu studieren. Ein High School Diplom plus zwei Jahre amerikanische Universität öffnet auch hier in der Schweiz die Türen zu praktisch allen Universitäten und Hochschulen, falls das dann noch eine Option ist.

Selbständige Vorbereitung auf die Maturaprüfung

Auch entscheiden sich immer mehr Homeschooling-Jugendliche dazu, sich selbständig auf die Maturaprüfung vorzubereiten. Auch dies ist kein Ding der Unmöglichkeit. Einige benützen dazu die Plattform Akad, andere lernen in Gruppen, teils begleitet von Gymnasiallehrpersonen. Ganz neu ist die Möglichkeit, dies mit dem Swiss Online Gymnasium zu tun. Da Homeschooling-Jugendliche oft gewöhnt sind, sich selbständig für das Lernen zu motivieren und die nötige Disziplin dazu haben, ist es durchaus eine spannende Möglichkeit, sich im Selbststudium auf die Matura vorzubereiten. Auch dies dauert in der Regel wie die High School drei Jahre nach der obligatorischen Schulzeit und endet mit einer Maturaprüfung.

Die eigene Lehre gestalten

Es gibt aber auch kreative, selbst-motivierte, talentierte Jugendliche, die es gar nicht sehen, noch weiter Schulstoff zu büffeln, was sie zum Schluss wenig interessiert und nicht viel weiter bringt im praktischen Leben. Jedoch können sie sich auch nicht für eine 08/15 Lehre begeistern. Sie sprengen aus dem traditionellen Rahmen, zeigen aber schon als junge Teenager erstaunliche Kreativität in Sachen Entrepreneurship. Für diese Jugendliche sind zwei relativ neue Angebote spannend: Time 4 und Magic Campus. Es sprengt den Rahmen dieses Artikels, in Detail auf diese zwei Angebote einzugehen, und ich rate dem Leser/der Leserin, sich selbst auf den jeweiligen Websites einen Überblick zu erschaffen, was bei Time 4 und bei Magic Campus möglich und was nicht möglich ist. Auf jeden Fall handelt es sich bei diesen beiden Alternativen um massgeschneiderte, selbst zusammengestellte Lehren und/oder das Entwickeln eines erfolgreichen Unternehmens. Heutzutage ist beides nicht nur möglich, sondern auch durchaus gefragt. Wenn ich sehe, wie viel unser Sohn sich selbst bereits im Informatikbereich beigebracht hat und daran denke, wie viel sich Jugendliche allgemein dank dem Internet und x verschiedenen online Kursen selbst beibringen können, kommt auch bei mir manchmal die Frage hoch, ob eine traditionelle Lehre, wo die Kreativität und Lerngier der Jugendlichen nicht unbedingt gefragt oder geschätzt wird, überhaupt noch zeitgemäss ist.

Örtliche Alternativen in Bern

Zum Schluss möchte ich noch zwei Alternativen erwähnen, die im Raum Bern am Entstehen sind. An anderen Orten gibt es womöglich auch solche interessante Alternativen. Einerseits wird ab August 2023 die Divergenta Schule eröffnet, An dieser Schule kann man sich u.a. auf das International Baccalaureate oder auf die A-Levels im Rahmen einer kleinen Privatschule vorbereiten. Die Divergenta Schule bietet auch Teilzeitmodelle für Homeschooler ab der 5. Klasse an. Ich empfehle euch, die verschiedenen Angebote und Bildungswege auf der Divergenta Website anzuschauen.

Auch das Colearning Bern steht nicht nur offen für Jugendliche in der Oberstufe, sondern auch für Jugendliche nach der obligatorischen Schulzeit, die kreativ, selbständig, interessiert, unternehmerisch und abenteuerlich sind und z.B. ein eigenes Unternehmen gründen möchten, sich selbständig für die Matura oder den High School Abschluss vorbereiten möchten, u.v.m. Lernen und sich weiter entwickeln inmitten von der realen Arbeitswelt vom Co-Working Space Effinger, wo sich das Colearning Bern befindet, ist nicht nur spannend, sondern ist wie das Lernen der Zukunft aussehen sollte.

Wie ihr seht, gibt es tatsächlich Alternativen zur traditionellen Lehre und zum Gymnasium. Bei all diesen Alternativen braucht es aber vor allem eins: Vertrauen in eure Jugendlichen! Wenn sie sich für etwas begeistern, sich in etwas spezialisieren, vor lauter Ideen fast platzen, kreativ, selbständig, unternehmerisch, lerngierig, selbstmotiviert und interessiert sind, dann vertraut ihnen. Es kommt gut! Sie werden ihren Weg finden und dieser Weg führt eben nicht immer nur über eine Lehre oder ein Gymnasium!

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